Der Tag der Steinformationen

Der Tag der Steinformationen – oder: Magische Momente im Tal der Feen

Aus der Reihe: Das Reisen ist des Muellers Lust – Teil 3

(Meine 5 Tipps zum Fairy Glen findest du am Ende der Erzählung)

Vom Quiraing zu den Fabelwesen

Ich bereue es. Ich bereue es, dass ich nicht in dieses kleine Büchlein geschrieben habe. Dabei wären es doch nur ein paar Seiten gewesen. Aber irgendwie war ich an dem Abend so müde, dass ich mir gesagt habe: „Das hole ich morgen nach“. Leider habe ich mir das am nächsten Tag auch gedacht. Und jetzt sind schon vier Tage ins Land gegangen, ohne dass ich es gemacht habe. Die Landschaft ist einfach zu schön und einnehmend, als dass ich mich abends noch dazu hinsetze.

Jahre später werde ich bereuen, es nicht getan zu haben. Ich kann nur wärmstens und mit voller Ernsthaftigkeit empfehlen: Auf einer Reise jeden Tag etwas über das Erlebte in ein Büchlein schreiben, um für alle Ewigkeit eine tolle Erinnerung zu haben. Neben den Fotos, die keine Worte enthalten. Umso schöner wird das Ganze, wenn man zu zweit unterwegs ist und sich mit dem Füllen der Seiten abwechselt – und erst nach der Reise liest, was der andere geschrieben hat.

Kommen wir zurück zu dem Pfad, den ich in diesem Moment vor mir sehe. Ich habe es verpasst, ins Büchlein zu schreiben, deshalb darf sie den Weg wählen. Ab durch die Hecke. Oder eher gesagt – ab durch die Büsche. Das Castle auf normalem Weg zu erreichen, wäre eben zu einfach.

Natur des Fairy Glen
Alles grün und mit kleinen niedlichen Hügeln versehen hier im Fairy Glen

Abseits der Wege im Fairy Glen (legal)

Es wird steil, ich muss mich an Wurzeln hochziehen und im nächsten Moment so tief ducken, dass ich fast im Entengang unter einem Busch durchkrieche. Toller Weg. Bestimmt sind wir die einzigen, die auf diese Weise zum Feenhügel kommen. Zumal der noch nicht mal in Sicht ist. Ich sehe nur grün, braun und grau. Nicht mal Schäfchen haben sich hierhin verirrt. Aber immerhin befinden wir uns in Schottland – also keine Sorge um giftige Tiere hier im Unterholz.

So langsam werde ich ungeduldig. Wir quälen uns schon seit zehn Minuten über die Hügelchen, mal rauf, mal runter, aber sind wir auch wirklich richtig?
„Kommen wir am Feenhügel oder an der Küste raus?“

Sie dreht sich um, legt einen „Jetzt-hab-dich-nicht-so-es-ist-doch-halb-so-schlimm“-Blick auf und schüttelt wortlos den Kopf. Ich schweige und leide weiter. Mit zwei Metern Körpergröße (fast zumindest – also aufgerundet sind es 2m) ist es eben nicht so leicht, im Land der Feen unbeschadet umherzuwandern.

Nach drei weiteren Hügelchen und Tälern kommen wir endlich auf ein Plateau, von dem aus wir das Objekt unserer Begierde sehen können. Da liegt er. Der Feenhügel bzw. die Feenburg. Oder wie wir im Reiseführer gelesen haben: eine „merkwürdig verzauberte Landschaft des Feen-Tals mitsamt dem Castle Ewen“. Und ein Hügelchen weiter hat sogar jemand ein Zelt aufgeschlagen. Na, wenn das mal nicht eine tolle Aussicht nach dem Aufstehen ist!

Grünes Zelt vor dem Castle Ewen im Fairy Glen
Die Besitzer des grünen Zelts müssen einen herrlichen Anblick gehabt haben

Wie die Hobbits auf den letzten Metern

Ich fühle mich ein wenig wie Frodo und Sam, die den Schicksalsberg auch in der Ferne gesehen haben und „nur noch“ hinwandern mussten. Uns stellen sich hoffentlich keine Orks in den Weg. Hier auf der Insel sind nur Mücken unsere Feinde (vor allem an Sonnenuntergängen wie zuletzt am Neist Point – es war unerträglich!), aber noch wittere ich keinen Orkschweiß.

Das Ziel vor Augen zu haben, gibt uns weitere Motivation. Wie ein Marathonläufer, der die letzten Kilometer vor sich hat und denkt: „Die paar schaffe ich jetzt auch noch“. Unsere Schritte sind beflügelt, fast so, als ob sich unsichtbare Feen um unsere Füße gesammelt haben und jetzt tatkräftig mithelfen, dass wir vorankommen. Wie auf einer Wolke gleiten wir über die letzten Meter, begeben uns noch einmal in ein Tal, aus dem wir den Feenhügel nicht mehr sehen können, nur um dann auf einen langen Hügel zu stapfen und ihn direkt vor uns zu haben.

Da ist er. Und nicht nur er. Wir sind nicht allein. Das gesamt Gelände rund um den Feenhügel ist voll von … Steinchen. Oder genauer gesagt: von Steintürmchen. Und Steinkreisen (oder Spiralen). Hier kann es nur Magie geben. Hier muss es Feen geben.

Wir sind unter uns mit ihnen. Neben den Feen gibt es sicherlich noch weitere Fabelwesen. Gnome unter der Erde zum Beispiel. Zum Glück ist der nächste Fluss etwas entfernt, sodass sich hier kein Kelpie hin verirrt. Wir können die Stille also gänzlich genießen und die Umgebung ohne Hektik erkunden.

Castle Ewen hinter Gräsern
Hinter den Gräsern erstrahlt das Castle Ewen

Immer brav im Kreis

Langsam steigen wir den Hügel hinab, bis wir vor einem Steinkreis stehen bleiben. Wie war das noch? Im Kreis bis zur Mitte laufen? Der Weg ist schon platt getreten und braun. Natürlich sind wir nicht die ersten. Trotzdem wundert es uns, dass nur die kleinen Kreise rund um die Mitte so aussehen – die äußeren sind nach wie vor grün. Na na na, es werden doch wohl nicht Leute einfach geradeaus zur Mitte gelaufen sein?

Wir jedenfalls achten darauf, nicht die Linien zu kreuzen und drehen unsere Kreise, bis wir am Kern ankommen. Wie bei einem Lagerfeuer (nur aus Steinen) liegen hier größere Brocken verstreut. Es ist wohl an der Zeit, die Augen zu schließen und sich etwas zu wünschen. … … … Augen auf. Und jetzt den ganzen Weg zurück und hinauf zum Feenhügel!

Steinkreise und Steintürmchen im Fairy Glen
Steintürmchen und Steinkreise in ihrer ganzen Pracht

Ich bilde mir ein, dass eine Fee hinter uns her fliegt. Jedes Mal, wenn ich mich umdrehe, versteckt sie sich. Oder macht sich so klein, dass ich sie nicht sehen kann. Ob sie froh ist, dass Touristen endlich mal die Kultur respektieren und den Steinkreis ordentlich verlassen? Wahrscheinlich schon. Und wahrscheinlich haben wir sie damit eines Besseren belehrt und ihr gezeigt, dass es auch noch vernünftige Touristen gibt. Und später wird sie beim Abendessen bei sich zuhause am Tisch (?) fröhlich und aufgeregt berichten, dass sie zwei Wanderer gesehen hätte, die tatsächlich im Kreis gegangen sind und ihre Feeneltern werden sagen: „Ach was, das hast du dir nur eingebildet! Die Menschen achten doch schon seit Langem nicht mehr auf uns. Denen sind wir doch egal. Und jetzt iss deinen Black Pudding, Kind.“

Blick vom Feenhügel hinab auf die Steinkreise
Zwei Steinkreise/-spiralen im menschenleeren Fairy Glen

Der Hügel ruft

Bevor ich mir noch mehr Gedanken über das Wohlergehen der Feen machen kann, marschieren wir zum Feenhügel. Ganz schön schräg und steil, dieser Aufstieg. Auf keinen Fall barrierefrei. Außer man hat so ein Jetpack und fliegt hoch. Oder lässt sich mit einem Fallschirm oben absetzen. Runter könnte es dann ganz schön schnell gehen.

Der Weg hat sich in den Hügel gebohrt und liegt wie eine leere braune Hülle im Grün und Grau von Gras und Fels. Der schwierigste und letzte Teil liegt noch vor uns. Es könnte brenzlig werden für alle mit BMI > 35. Denn hier muss selbst ich den Bauch einziehen, mich seitlich zwischen den Felsplatten durch schieben und dann hochziehen. Schwupps. Da stehe ich. Wie einst William Wallace bestimmt auch schon.

Weg zum Castle Ewen mit dem Fairy Glen im Hintergrund
Ein Blick zurück auf den holprigen Weg hinauf

Und vor mir liegt die grüne Landschaft mit ihren süßen Hügelchen, da rechts ein See und weit über mir Wolken. Typisch Schottland. Typisch, wenn in zwanzig Minuten die Sonne rauskommt und es in vierzig Minuten wie aus Eimern regnet. Das gilt auch für die Halbinsel Trotternish hier.

König der Welt – oder lieber doch nicht?

Einen Augenblick lang überlege ich, „Ich bin der König der Welt“ zu rufen, merke dann aber, dass das nicht so ganz passt. Aber zumindest denke ich es mir innerlich. Am liebsten würde ich den ganzen Tag hier oben bleiben, mit einem Campingstuhl, Tee, Shortbread und einem Regenzelt, das sich in Windeseile aufbauen lässt. Aber so würde ich natürlich all den anderen Reisenden den Genuss vermiesen, hier oben allein zu stehen, sich mit ausgestreckten Armen im Kreis zu drehen und dabei nicht unglücklicherweise den Halt zu verlieren.

Castle Ewen von der Seite
Seitenansicht des markanten Feenhügels im weiten Fairy Glen

Schweren Herzens klettere ich also rückwärts herab, sage den Feen auf dem Castle „Tschö“ und trotte zurück zu den Steinkreisen. Mittlerweile hat sich das Tal gefüllt. Nicht mit weiteren Steinchen oder Türmchen, sondern Touristen. Höchste Zeit für uns also, zum Auto aufzubrechen. Zuvor machen wir aber noch einen Abstecher zu dem See, der sich als kleiner Teich am Straßenrand herausstellt. Knips. Foto in der Tasche.

Habe ich eigentlich schon erwähnt, dass „Isle of Skye“ vom altnordischen Wort „sky-a“ kommt und so viel wie „Insel des Nebels“ bedeutet? Nein? Dann ist es jetzt bekannt. Anscheinend ist sie neben Loch Ness und Edinburgh die dritte Hauptsehenswürdigkeit in Schottland. Meiner Meinung nach völlig zurecht. Während ich diese Zeilen schreibe und mir die Fotos angucke, würde ich am liebsten den nächsten Urlaub nach Schottland planen.

Castle Ewen im Fairy Glen mit Teich
Blick von der Bank über den Teich auf das Castle Ewen

Tipps zum Fairy Glen

Nun also zu meinen Tipps für einen Ausflug ins Fairy Glen auf der Isle of Skye im schönen Schottland:

  • Wie immer scheint zu gelten: je früher da, desto weniger los
  • Auf den Hügel (Castle Ewen) klettern und eine wunderbare Aussicht über die ganze Landschaft haben (wenn das Wetter mitspielt)
  • Nicht nur auf den Hügel hoch und dann wieder gehen, sondern sich Zeit nehmen für die Steinkreise drum herum, den Teich etc.
  • Wie immer: genug Fotos schießen – schließlich will man ja Freunde und Verwandte neidisch machen
  • Das Fairy Glen lässt sich gut mit einem Besuch des Quiraing verbinden – beide sind nicht weit voneinander entfernt (ca. 20min mit dem Auto)

(Infos zur Umgebung rund um das Fairy Glen gibt es zum Beispiel hier auf IsleofSkye.com)

Weitere Blog-Beiträge über Schottland

 

Mini Steinturm im Fairy Glen auf der Isle of Skye
Zum Schluss noch ein kleiner in Szene gesetzter Steinturm

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